Falsche Schwestern
Rezension
Autor: Cat Clarke
Preis: 14,99 €
Seitenanzahl: 400
Übersetzer: Jenny Merling
Verlag: Fischer FJB
Leseprobe: >> gibt es hier <<
„Ich wünsche mir schon mein ganzes Leben lang, dass sie zurückkommt. Aber ich habe nie wirklich daran geglaubt. Also, ich dachte, dass ich daran glaube, aber jetzt ist mich aufgegangen, dass ich innerlich davon überzeugt war, es würde nie passieren.“ (Seite 29)
Dieses Buch zu lesen, fand ich sehr schwer. Wer mich kennt weiß, dass ich ein Problem mit Büchern zum Thema Gewalt, Missbrauch etc. habe. Ich finde, grade bei diesen Büchern ist es unglaublich wichtig, welche Wirkung der Autor erzeugen möchte und wie sensibel er dies tut.
Ich habe schon Jugendbücher gelesen, in denen der Missbrauch Schritt für Schritt erläutert wurde. Dies war hier nicht der Fall, doch ich persönlich kann Laurels Reaktion zu Beginn des Buches nicht nachvollziehen. Sie hat kaum Probleme über das erlebte zu sprechen… Kaum ein Opfer würde dies können! Zumal 13 Jahre Folter eine extrem lange Zeit sind!
Nach ungefähr 60 Seiten merkte ich bereits, dass mir bisher die Umsetzung der Thematik nicht so recht gefiel. Sie erschien mir untertrieben, sogar leicht emotionslos und gefühlskalt…
In der Schreibweise hingegen hat Cat Clarke versucht Witz und Tragödie zu vereinen, was meiner Meinung nach nicht sehr gut funktioniert hat. Ich fand es oft sehr surreal…
Und zwischendurch hatte ich das Gefühl, dass der Umgang in diesem Buch für reale Opfer beinahe demütigend sein könnte… Aber das kann auch einfach mein eigenes Empfinden sein.
Wer mich persönlich oder hier übers Internet schon länger kennt, weiß, dass meine Kindheit nicht grade schön verlaufen ist. Ich kann euch nur erklären, was mich an diesem Buch so gestört hat, wenn ich hier etwas weiter aushole. Entschuldigt.
Mein Erzeuger gehört zu den Menschen auf dieser Erde, die niemand braucht! Am besten gleich in ein tiefes, dunkles Loch schubsen und zuschütten.
Pädophile…
Gewalttäter…
Menschen, die man nicht braucht. Um solch einen Menschen scheint es hier in „Falsche Schwestern“ zu gehen.
Als Laurel plötzlich wieder auftaucht, erzählt sie von ihrem Entführer, dass er sie missbraucht hat, dass sie ihn Daddy nennen musste.
Und vom Gefühl her berichtet sie im selben Moment, dass sie selbst keine Probleme hat, über ihr Erlebtes zu sprechen. Entschuldigung, aber das passt absolut nicht zusammen!
Das Thema wird zu Beginn mit einer Gefühlskälte behandelt, die ich total unangebracht finde.
Auch erschien mir Faith zu Beginn sehr ambivalent…
Sie freut sich, dass ihre Schwester wieder da ist, dann ist sie sauer bzw. wütend darauf. Dann wieder mitfühlend und dann erneut sauer. Ihr Verhalten passt für mich selbst in dieser schwierigen psychologischen Situation absolut nicht zusammen.
„Ich habe den Eindruck, die ganze Zeit dankbar sein zu müssen, und dass jedes negative Gefühl, egal, wie klein es auch sein mag, verboten ist.“ (Seite 233)
Wirklich gut fand ich zu Beginn nur den neuen Freund von Faiths Vater: Michel.
Einen Menschen, der seine Katze Tonks nennt, weil er totaler Harry-Potter-Fan ist, muss man einfach mögen!!! Und wenn dieser jemand dann auch noch ein gut aussehender, schwuler Franzose ist, möchte ich ihn auch als besten Freund haben! ;)
Ich will dem Buch jetzt aber nicht nur schlechte Dinge zu gestehen.
Der Schreibstil an sich, wenn man von der meiner Meinung nach nicht gelungenen Komik absieht, die Cat Clarke heraufbeschwören wollte, ist sehr angenehm und locker leicht zu lesen.
Auch kann ich dem Buch nicht eine gewisse Spannung aberkennen. Man will schon wissen, wie es weitergeht und ob das Buch nur „Falsche Schwestern“ heißt, weil Laurel damals adoptiert wurde und Faith das leibliche Kind der Familie ist. Auch wenn ich finde, dass diese Geschichte letzten Endes sehr durchschaubar war…
Die letzten paar Seiten des Buches machen allerdings die Vorhersehbarkeit durch eine besondere Botschaft wieder wett…
Auch das Cover muss ich hier sehr loben, denn es spiegelt die innere Zerrissenheit sowohl von Faith, als wohl auch von ihrer Schwester wieder. Das kleine Mädchen in den fast erwachsenen, jungen Frauen…
Dennoch bleibt am Ende auch das Gefühl, die Geschichte von Natascha Kampusch noch einmal aus verschiedenen Perspektiven und mit einem Nachschlag, der die Story noch schlimmer machen soll, gelesen zu haben…
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Ein Kommentar
Irve
Hallo Ronja,
schon bei deinen anfänglichen Worten musste ich an Natascha Kampusch denken. Ich habe gottlob keine schreckliche Kindheit erlebt, aber wie sie rüberkommt, kann ich so gar nicht nachvollziehen und diese beiden Mädels hier verstehe ich noch weniger. Manchmal beschleicht mich die Vermutung, dass eine so lange Gefangenschaft, Missbrauch, Folter etc sich die Gehirnstruktur ändert, um trotzdem noch emotional lebensfähig zu bleiben. Anders kann ich mir manche "Persönlichkeiten danach" nicht erklären.
Danke für deine Rezi, das Buch ist wohl eher nichts für mich. Kennst du zufällig "Die Goldatmerin" von Susanne Markgraf? Sie hat ihre schlimme Kindheit auch für "Laien" sehr gut umgesetzt und…..ach….wenn du es noch nicht kennst, solltest du das nachholen. Sehr glaubhaft und einfühlsam. Habe es schon mehrmals verschenkt und es kam immer gut an, wenn man das bei einem solchen Thema überhaupt so sagen kann.
Ganz liebe Lesegrüße,
Heike