Reise gegen das Vergessen: Hana Brady und ihr Koffer
Am Abend noch können die Nachbarn sie durchs Fenster sehen.
Eine mehr oder weniger glückliche Familie.
Mutter, Vater, liebende Eltern…
Tochter, Sohn, geliebter Bruder und geliebte Schwester…
Trotz all der Anfeindungen, all der Not, geht es ihnen gut, denn sie haben noch sich. Sie halten zusammen und glauben fest daran, die schwere Zeit gemeinsam überstehen und dann wieder ein normales Leben führen zu können.
Sie sprechen über die Schule, über Freunde, Verwandte, über den Tag und was noch so los war.
Ein harmonisches, friedliches Bild.
Doch schon bald existiert es nicht mehr und am Ende des Krieges wird es nur noch den inzwischen 17-jährigen Jungen geben, aber er wird kein Sohn und kein Bruder mehr sein. Nur noch im Herzen.
Von seinen Eltern bleibt nichts zurück und von seiner Schwester wird Jahre später ein Koffer auftauchen. Ein Koffer, auf dem stehen wird: Hana Brady 625 Waisenkind.
Dieser Koffer und die Erinnerungen an seine Schwester sind alles was George Brady von seiner geliebten Hana bleiben. Von einem Mädchen, das mit 13 Jahren in der Gaskammer von Auschwitz umkam, weil jemand beschlossen hatte, ihr Leben sei nichts wert und sie selbst zu nichts zu gebrauchen.
Am 16. Mai 1931 wurde Hana Brady als Tochter von Karel und Markéta Brady in der Tschechoslowakei geboren. Zusammen mit ihrem Bruder Jiří half Hana ihren Eltern im eigenen Laden in Nové Město. Für die einzigen jüdischen Kinder der Stadt stellten die am 15.März 1939 eingeführten Judengesetze eine noch größere Ausgrenzung dar, weil die beiden Kinder ganz alleine da standen. Vorher spielte es für niemanden eine Rolle, dass die Bradys Juden waren.
Hana liebte das Schlittschuhlaufen im Winter, spielte gerne mit ihrem Bruder und nahm am Schultheater teil. Das freundliche, hilfsbereite Mädchen trug schon früh den Wunsch in sich später selbst Lehrerin zu werden.
Im März 1941 wurde die Familie auseinander gerissen. Zuerst holte die Gestapo die Mutter der Kinder. Kurz darauf im September auch den Vater. Die Kinder tauchten bei ihrem katholischen Onkel auf dem Land unter. Doch bereits am 14. Mai 1942, kurz vor Hanas 11. Geburtstag, musste ihr Onkel die beiden Kinder zum Deportationszentrum Třebíč bringen. Von dort aus begann eine Reise für Hana und Jiří, die nur einer der beiden letzten Endes überleben würde.
Von Třebíč aus ging es ins Konzentrationslager Theresienstadt. Aus dieser Zeit stammt Hanas Koffer und auch einige Bilder, die sie dort malte, sind erhalten geblieben. In Theresienstadt fanden die Kinder zwar nicht ihre Eltern wieder, doch sie trafen auf ihre schwer kranke Großmutter. Im September 1944 verstarb diese.
Als Hana den Namen ihres Bruders auf einer Transportationsliste nach Osten entdeckte, muss sie sich noch einsamer gefühlt haben. Vier Wochen später stand auch ihr Name auf einer Liste. Einen Tag und eine ganze Nacht lang froren und zitterten die zum Transport bestimmten Juden zusammen mit Hana in Viehwaggons, während sie nach Osten fuhren. Ihr Ziel: Auschwitz-Birkenau.
In der Nacht vom 23. Oktober 1944 kam Hana mit vielen anderen Mädchen dort an und ging gleich ins Gas. Ihren Bruder sah sie nicht mehr.
Erst als ihr Koffer zu einer Ausstellung aus Auschwitz nach Japan geschickt wurde, sollte Hana wieder aus dem Vergessen auftauchen. Eine Gruppe aus Kindern und Jugendlichen rekonstruierte Hanas Lebensgeschichte und schaffte es auch Hanas Bruder ausfindig zu machen, der inzwischen unter dem Namen George Brady in Kanada lebt.
Abgemagert und völlig geschwächt erlebte George Brady mit 17 Jahren am 27.Januar 1945 in Auschwitz die Befreiung.
Im Buch Hanas Koffer heißt es:
„Wo sind Mutter und Vater? Und Hana? Wo ist Hana?“ Um ihn herum wurde alles schwarz.
George realisierte nach seiner Befreiung, wie so viele andere auch, dass er nun ganz alleine da stand in einer Welt unter lauter Menschen, die ihn zum Tode verurteilt hatten und das nur weil er eine andere Glaubensrichtung hatte, als all diese anderen Menschen. George Brady verfiel in ein Schweigen, das wohl erst mit der Entdeckung von Hanas Koffer beendet wurde.
Hanas Koffer – Karen Levine
Klappentext:
Das Leben des jüdischen Mädchen Hana Brady (1931-1945) – eine bewegende Geschichte, die im Jahr 2001 von der Kuratorin des Holocaust-Museums, Tokyo, nachgezeichnet wurde.
Ein Koffer mit der Aufschrift „Hanna Brady, Waisenkind“ fasziniert die jüngsten Besucher des Holocaustmuseums in Tokio. Sie wollen mehr über Hana wissen. Also begibt sich die Museumsleiterin auf eine Reise in die Vergangenheit. Sie findet Fotos und Zeichnungen von Hana und begegnet schließlich Hanas Bruder. So erfahren die Kinder, wie Hana aussah, was sie gerne spielte, wer ihre Eltern waren – und wie ihr junges Leben ausgelöscht wurde. In der Erinnerung dieser Kinder – und der Leser – wird Hana lebendig bleiben.
Zum Buch: >> Hier lang <<
Zu „Hanas Koffer“ gibt es ein großartiges Projekt in der literarischen Sternenwarte AstroLibrium von dem Betreiber Arndt Stroscher und der Künstlerin Peggy Steike.
Link:
>> Gegen das Vergessen – Hanas Koffer kommt zu euch <<
Wenn ihr Interesse an dem Buch und einer ganz besonderen Leseerfahrung habt, dann könnt ihr euch auf der verlinkten Seite unten mit einem Kommentar anmelden. Dann wird euch Hanas Koffer besuchen und eine Menge mitbringen. Um genaueres zu erfahren, schaut in den Link.
Ich finde es ist ein tolles Projekt, an dem ich gerne teilnehme und zu gegebener Zeit werde ich auch gerne wieder darüber berichten.
2 Kommentare
Jaimees Welt
Danke für den Buchtipp … ich habe gerade schon bei Amazon danach gestöbert und werde es mir wahrscheinlich kaufen!
Ich wünsche dir viele Besucher bei der Blogger-Kommentierwoche!
Liebe Grüße
Jana von Jaimees Welt
Ronja
Freut mich, dass ich dir Hana näher bringen konnte.
Wenn du magst, würde ich mich über eine Rückmeldung, wie dir das Buch gefallen hat, freuen.
Ich wünsche dir auch viele Besucher :)
Liebe Grüße aus der Bücherstöberecke